Eine wichtige Neuerung und ein großer Schritt in Richtung Digitalisierung im Maschinenbau ist die digitale Betriebsanleitung. Ab dem 20. Januar 2027 wir die Maschinenrichtlinie von der EU-Maschinenverordnung 2023/1230 abgelöst und legt die Anforderungen zu Umsetzung nieder. Überraschend kommt eine Aktualisierung des Leitfadens zur Maschinenrichtlinie, welcher den Weg zu digitalen Betriebsanleitung schon jetzt zulässt. Vor der Integration gibt es einige Vorgaben aus der MVO zu beachten und auch strategische Überlegungen zur Umsetzung spielen eine Rolle. Mit diesem Blogartikel möchten wir Ihnen dazu eine Hilfestellung anbieten.
Kapitel II der MVO gibt Aufschluss
Für die Auslieferung von digitalen Betriebsanleitungen ist das Kapitel II der MVO relevant, im Speziellen hier die Artikel 10 Absatz 3, 7, 8 (Pflichten der Hersteller von Maschinen und dazugehörigen Produkten) und Artikel 11 Absatz 3, 7, 8 (Pflichten der Hersteller von unvollständigen Maschinen).
Grundsätzlich gilt: Wer digitale Betriebsanleitungen anbietet, muss auf dem Produkt oder deren Verpackung oder in einem Begleitdokument angeben, wie man zu der digitalen Betriebsanleitung gelangt.
Welche Anforderungen gelten laut MVO noch für die digitale Betriebsanleitung?
Natürlich definiert die Maschinenverordnung auch die Anforderungen für digitale Betriebsanleitungen:
- Die digitale Betriebsanleitung muss in einem Format hinterlegt sein, das der Nutzer auf seinem Gerät öffnen und speichern und gegebenenfalls ausdrucken kann. Konkret könnten dies Dateien sein, beispielsweise in den Formaten .txt, .csv, .xml oder .pdf, wobei das PDF (PDF-A, PDF-X3) der fertig gestalteten und auch druckbaren Betriebsanleitung am nächsten kommt und auch für die Leser und Leserinnen nicht offen bearbeitbar ist, wie beispielsweise sonst .txt-Dateien.
- Die digitale Betriebsanleitung muss jederzeit verfügbar sein, auch wenn die Maschine ausgeschaltet ist.
- Die digitale Betriebsanleitung muss für die zu erwartende Lebensdauer des Produkts online zugänglich sein, mindestens jedoch 10 Jahre nach Inverkehrbringen.
- Auf Verlangen des Kunden muss der Hersteller die Betriebsanleitung in Papierform kostenlos binnen eines Monats bereitstellen können.
Dies gilt ebenso für:
- unvollständige Maschinen (Hier empfehlen wir, vertraglich festzulegen, bis wann die gedruckte Montageanleitung geliefert werden muss.)
- EU-Konformitätserklärungen
- EU-Einbauerklärungen
Hinweis: Wenn die Möglichkeit besteht, dass die Maschine im Laufe ihrer Lebensdauer auch von nicht-professionellen Nutzer*innen, also Endverbraucher*innen, verwendet wird, ist die gedruckte Betriebsanleitung weiterhin Pflicht. Und das bleibt sie auch bei Inkrafttreten der neuen Maschinenverordnung am 20. Januar 2027.
Ab wann dürfen Hersteller mit der digitalen Bereitstellung der Betriebsanleitung beginnen?
Im April 2024 ist Edition 2.3 des Leitfadens zur Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG erschienen. Nach Paragraf § 255 des Leitfadens darf die Betriebsanleitung für Maschinen in einem digitalen Format bereitgestellt werden. Die notwendigen Anforderungen hierzu enthält Artikel 10 (7) der Maschinenverordnung. Somit darf schon jetzt die digitale Betriebsanleitung umgesetzt werden
Den entsprechenden Leitfaden zur Anwendung der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG der EU finden Sie auf den offiziellen Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin auf Deutsch und Englisch.
Unser Fazit dazu:
Im Prinzip können Hersteller im Allgemeinen jetzt schon damit loslegen, ihre Maschinen nach den Vorgaben der MVO zu entwickeln und zu bauen, denn die Regelungen der MVO gehen prinzipiell über diejenigen der MRL hinaus. Man läuft also nicht Gefahr, dass die Maschine den aktuellen gesetzlichen Vorgaben nicht mehr entspricht, sondern geht damit „nur“ darüber hinaus.
Insbesondere mit Blick auf die digitalen Betriebsanleitungen empfehlen wir, frühzeitig Prozesse für die Umsetzung mit all ihren Implikationen zu entwickeln. Es spricht nichts dagegen, auch jetzt schon einen QR-Code auf dem Typenschild anzubringen und eine digitale Betriebsanleitung vorzuhalten.
Die komplette Umstellung auf digitale Anleitungen wird Zeit brauchen. Daher ist es sehr sinnvoll, sich hier auf die neuen Bestimmungen der Maschinenverordnung rechtzeitig vorzubereiten. Die Hersteller*innen stellen sich zukunftssicher auf, indem sie digitale Prozesse schon vorbereiten, bevor diese gesetzlich gefordert werden.
Ihre Optionen zur Umsetzung digitaler Konzepte
Alles einfach nur beim Alten zu belassen und weiterhin rein gedruckt die Betriebsanleitung auszuliefern, halten wir für nicht empfehlenswert. Ein solcher Maschinenhersteller geht einfach nicht mit der Zeit und kann mit der Konkurrenz irgendwann vermutlich nicht mehr mithalten. Steigende Druckkosten und ein wenig nachhaltiger Umgang mit der Ressource Papier (Kosten) tun hier ihr Übriges.
Bevor Sie bei dem Thema durchstarten, gilt es, ein paar richtungsweisende Entscheidungen zu treffen: Sie brauchen eine übersichtliche Daten- und Linkstruktur auf dem eigenen Server, müssen ein langfristig zuverlässiges System zur Bereitstellung Ihrer Inhalte auswählen und den Maschinenbetreiber*innen einen sicheren und damit – insbesondere bei komplexeren Maschinen – vermutlich passwortgeschützten Zugang zur Bedienungsanleitung ermöglichen und das auch beispielsweise bei einem Stromausfall oder bei ausgeschalteter Maschine.
Diese Herausforderungen gilt es zu meistern:
- Ein zukunftsfähiges und praktikables System auswählen
- Informationskonzept(e) erarbeiten
- System implementieren
- Personal schulen
- Konformität mit der Maschinenverordnung beachten (druck- und speicherbar)
- Papierformat weiterhin bereitstellen und anbieten
- Zugriffsinformationen mitliefern
- Verfügbarkeit über viel Jahre sicherstellen
- IT-Sicherheit beachten
Option A ➔ Bereitstellung von PDFs
Der Hersteller einer Maschine stellt online ein PDF mit der digitalen Betriebsanleitung mit den entsprechenden Zugangsdaten zur Verfügung.
Chancen/Vorteile
- Eine Online-Version der gedruckten Betriebsanleitung ist leicht zu erstellen und relativ schnell und einfach verfügbar zu machen.
- Die Betriebsanleitung kann nicht verloren gehen.
- PDF-Dateien können auf den meisten Endgeräten geöffnet, gespeichert und somit auch ausgedruckt werden.
Hürden/Nachteile
- Ein PDF bietet keinen besonders großen Vorteil gegenüber einer gedruckten Version und ist beispielsweise auf einem Smartphone schlecht lesbar.
- Zugangsdaten müssen an der Maschine auch dann abrufbar sein, wenn diese nicht eingeschaltet ist.
Fazit
➔ Eine durchaus praktikable Lösung, bis ein „echtes“ Content-Delivery Portal (CDP) aufgebaut wird. Auch hier gilt es, einige konzeptionelle Überlegungen anzustellen hinsichtlich der MVO-konformen Bereitstellung über die gesamte Lebensdauer der Maschine hinweg, mindestens jedoch 10 Jahre nach Inverkehrbringen. Wir beraten Sie dazu gerne.
Option B ➔ modernes Content-Delivery-Portal
Der Hersteller einer Maschine baut ein modernes Content-Delivery-Portal (CDP) auf.
Chancen/Vorteile
- Die Nutzer*innen haben jederzeit Zugriff auf die benötigten Informationen – online und offline.
- Modulare Content-Bausteine bieten die Möglichkeit, Informationen intelligent zu verknüpfen und so leicht auffindbar zu machen.
- Responsives Design sorgt dafür, dass Inhalte geräteübergreifend und plattformübergreifend optimal dargestellt werden.
- Kleine Informationstopics dienen der Übersichtlichkeit.
- Praktische Lösung sowie für B2B als auch B2C Endverbraucher, für die immer eine Betriebsanleitung auch in Printversion zur Verfügung stehen muss.
- Die Daten sind auch im Offline-Modus abrufbar.
Hürden/Nachteile
- Der Aufwand bei der Umsetzung ist deutlich höher und damit zunächst auch teurer.
- Es entstehen laufende Kosten für die Lizenzgebühren des CPD.
- Es gibt kein Gesamtdokument.
Fazit
➔ Wir halten dies für die wünschenswerte und zukunftsorientierte Option und beraten gerne bei der konkreten Umsetzung.
Option C ➔ Einbindung mehrerer Medienkanäle
Der Hersteller einer Maschine stellt unterschiedliche Medien (z.B. Videos) im bereits eingerichteten Content-Delivery-Portal (CDP) zur Verfügung
Chancen/Vorteile
- Der Einsatz von z.B. Videoanleitungen oder interaktiven 3D-Anwendungen macht die digitale Bedienungsanleitung noch benutzerfreundlicher.
- Der gekonnte Einsatz medialer Mittel stärkt Ihre Markenbotschaft
Hürden/Nachteile
- Der zusätzliche Aufwand im Vergleich zur Option B ist sehr hoch
- zusätzlichen Kosten (z.B. für Erstellung und Einbindung der Medieninhalte) fallen an.
Fazit
➔ Für die Kund*innen ist dies eine sehr komfortable Lösung, für kleine Unternehmen wird dennoch die Umsetzung auch auf lange Sicht vermutlich zu teuer sein. Dennoch beraten wir Sie gerne zu den medialen Möglichkeiten.
Fazit ➔ die digitalen Zeiten sind schon da, verlieren Sie keine Zeit!
Die Möglichkeit, eine Anleitung digital zu liefern, wurde von vielen Herstellern sehnlichst erwartet – und das berechtigterweise! Richtig umgesetzt kann die digitale Betriebsanleitung sicherer, günstiger und qualitativ hochwertiger sein.
Gerne beraten wir Sie zum Thema digitale Betriebsanleitung für Ihre Maschine oder Anlage im Rahmen der Technischen Dokumentation.
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