Konformitätsvermutung bei Maschinen und die Produkthaftung

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Konformitätsvermutung bei Maschinen und die Produkthaftung

In der heutigen globalisierten Welt ist es für Hersteller von Maschinen von entscheidender Bedeutung, die Konformität ihrer Produkte sicherzustellen. Dies betrifft insbesondere die Einhaltung von Normen und Richtlinien, um rechtliche Probleme zu vermeiden und die Produktsicherheit zu gewährleisten. Die CE-Kennzeichnung spielt dabei eine zentrale Rolle. In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die wichtigsten Aspekte der Konformitätsvermutung und der Produkthaftung.

Inhaltsverzeichnis
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    Was ist Konformität von Maschinen?

    Im Rahmen von EU-Rechtsvorschriften wurden Rechtsvorschriften (Maschinenrichtlinie, Niederspannungsrichtlinie etc.) mit einer Reihe von Zielvorgaben bzw. Anforderungen erarbeitet. Konformität bezieht sich auf die Übereinstimmung von Maschinen mit den für das Produkt geltenden Richtlinien bzw. Verordnungen. Diese Richtlinien setzen technische und formale Anforderungen, die ein Hersteller erfüllen muss, um seine Maschinen als konform zu deklarieren und mit der CE-Kennzeichnung zu versehen.

    Beispiel aus MVO, Anhang III, Kap. 1.2.4.3:

    „Die Maschine bzw. das dazugehörige Produkt muss mit einem oder mehreren NOT-HALT-Befehlsgeräten ausgerüstet sein, durch die eine unmittelbar drohende oder eintretende Gefahr vermieden werden kann. […]“

    Aktuell ist die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG (MRL) das zentrale europäische Regelwerk für Maschinensicherheit. Sie legt die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen (GSA) fest, welche Maschinen erfüllen müssen, bevor sie in der EU in Verkehr gebracht werden dürfen. Die MRL gilt für alle Arten von Maschinen und unvollständigen Maschinen sowie für sicherheitsbezogene Bauteile.

    Ab dem 20. Januar 2027 wird die neue EU-Maschinenverordnung (EU) 2023/1230 (MVO) die bisherige Maschinenrichtlinie vollständig ersetzen. Die MVO bringt wesentliche Neuerungen mit sich, insbesondere im Bereich der Digitalisierung und künstlichen Intelligenz.

    Link-Tipp: Die Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) führt die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen (GSA) im Zusammenhang mit Maschinen sehr übersichtlich auf.

    CE Kennzeichen mit Flagge auf Tastatur – Symbolbild für MVO und MRL und die Konformitätsvermutung bei Maschinen

    Was ist eine Konformitätsvermutung?

    Die Konformitätsvermutung ist die Annahme, dass die Maschine den aktuellen Stand der Technik erfüllt und somit den Anforderungen aus den Richtlinien gerecht wird. Ausgelöst wird die Konformitätsvermutung durch die Anwendung harmonisierter Normen, welche einheitliche Lösungen zu den Gesundheits- und Sicherheitsschutzanforderungen liefern. Diese Vermutung bietet Herstellern den Vorteil, dass Behörden und Kunden davon ausgehen, dass eine Maschine dem Stand der Technik entspricht. Dies wird durch die CE-Kennzeichnung und eine Konformitätserklärung mit einer Liste der angewandten harmonisierten Normen erreicht. Die CE-Kennzeichnung ermöglicht es, Maschinen innerhalb der EU frei zu bewegen.

    Die Konformitätsvermutung ist jedoch kein Garant für Konformität und kann juristisch widerrufen werden. Für Maschinen ist eine ordnungsgemäße Risikobeurteilung unerlässlich, um die Konformitätsvermutung zu stützen.

    Achtung: Die CE-Kennzeichnung stellt eine eigenmächtige Zertifizierung dar. Sie tragen als Hersteller, Betreiber, Importeur oder Händler also die volle Verantwortung für die Richtigkeit und Vollständigkeit Ihrer Konformitätserklärungen zu Ihrer Maschine oder Anlage.

    In der Konformitätserklärung wird die Maschine konform erklärt!

    Eine Konformitätserklärung ist ein Dokument, das der Hersteller erstellt, um zu bestätigen, dass seine Maschinen den relevanten Richtlinien entsprechen. Mit der CE-Kennzeichnung erklärt der Hersteller, dass die Maschine den geltenden Anforderungen genügt. 

    Eine Konformitätserklärung enthält:

      • Produktdetails (z.B. Typ, Modell, Baujahr) der Maschinen
      • Aufgeführte Richtlinien (z.B. Maschinenrichtlinie, Niederspannungsrichtlinie)
      • Berücksichtigte harmonisierte Normen
      • Ggf. Angabe der notifizierten Stelle
      • Herstelleradresse, Unterschrift und Datum

    Die Konformitätserklärung ist das wohl wichtigste Dokument für Ihre CE-Kennzeichnung. Was sie enthalten muss, warum sie benötigt wird und viele weitere Antworten auf häufig gestellte Fragen finden Sie im folgenden Blogartikel.

    Praktische Auswirkungen bei Zoll und Marktaufsicht

    Die Konformitätserklärung hat unmittelbare praktische Auswirkungen im Geschäftsalltag. Wenn eine Konformitätserklärung keine harmonisierten Normen aufführt, entstehen praktische Probleme: Zollbeamte oder Marktaufsichtsbehörden können nicht einschätzen, welche Regelwerke beachtet wurden. Die Maschine wird dann zurückgehalten – nicht direkt zurückgewiesen, aber der Hersteller bekommt die Chance zur Nachbesserung. Dies führt zu Lagerkosten beim Zoll, möglichen Vertragsstrafen und Betriebsausfällen. Umgekehrt führt die Aufführung harmonisierter Normen zur Konformitätsvermutung – die Behörden gehen davon aus, dass der Stand der Technik berücksichtigt wurde.

    Vorteile der Konformitätsvermutung

    • Freier Warenverkehr: Maschinen mit ordnungsgemäßer CE-Kennzeichnung können ohne Hindernisse innerhalb der EU transportiert werden.
    • Rechtliche Absicherung: Solange die Konformitätserklärung korrekt ist und die Risikobeurteilung ordnungsgemäß durchgeführt wurde, gibt es in der Regel keine rechtlichen Schwierigkeiten.

    Wann kann die Konformitätsvermutung widerrufen werden?

    Die Konformitätsvermutung kann in verschiedenen Situationen auf den Prüfstand kommen. Ein anschauliches Beispiel: Ein Hersteller baut einen Schutzzaun nach der Norm für trennende Schutzeinrichtungen. Der Zaun ist 2,20 Meter hoch, hat aber unten nur einen Bodenabstand von 400 mm, was nicht normkonform ist. In diesem Fall kann die Konformitätsvermutung widerrufen werden – die DIN EN ISO 13857 Sicherheitsabstände gegen das Erreichen von Gefährdungsbereichen setzt 180 mm als Bodenabstand fest.

    Weitere Situationen, in denen die Konformitätsvermutung widerrufen werden kann:

    • Mängel: Wenn Maschinen Mängel aufweisen, die nicht den Normen entsprechen
    • Prüfungen: Bei besonders gefährlichen Maschinen kann eine Prüfung durch eine akkreditierte Stelle erforderlich sein
    • Unvollständige Risikobeurteilung: Wenn die Risikobeurteilung unvollständig oder fehlerhaft ist

    Hinweis: Beachten Sie, dass Stichprobenkontrollen durch Marktüberwachungsbehörden, Bundesnetzagentur und Berufsgenossenschaften durchaus stattfinden. Die Häufigkeit variiert je nach Branche und Region, aber das Risiko einer Prüfung besteht immer.

    Warum Normen wichtig sind

    Normen sind technische Regeln, die den allgemein anerkannten Stand der Technik widerspiegeln. Sie geben einen einheitlichen Standard vor, der im Rahmen der CE-Kennzeichnung EU-Weit anerkannt wird. Somit schaffen Normen ebenfalls Vertrauen hinsichtlich der Qualität und der Sicherheit eines Produktes.

    Normen: Bindend oder nicht?

    Ein weit verbreitetes Missverständnis ist, dass Normen gesetzlich bindend sind. Tatsächlich sind sie nicht verpflichtend, werden jedoch die richtigen Normen beachtet und umgesetzt, kann dies eine Konformitätsvermutung herstellen.

    Harmonisierte vs. nicht harmonisierte Normen – Der entscheidende Unterschied

    Harmonisierte Normen bieten technische Lösungen für die Einhaltung der technischen Anforderungen aus den Richtlinien, während nicht harmonisierte Normen dies nicht tun.

    Harmonisierte Normen haben einen besonderen Status: Sie sind direkt mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen (GSA) der Maschinenrichtlinie verknüpft. So entspricht beispielsweise die GSA 1.4.3 „nicht trennende Schutzeinrichtungen“ der harmonisierten Norm EN ISO 13855. Diese Normen enthalten im Anhang ZA den expliziten Verweis auf die erfüllten Kapitel der Maschinenrichtlinie. Nicht harmonisierte Normen (wie DGUV-Vorschriften oder Werksnormen) bieten diese direkte Verknüpfung nicht und erfordern zusätzliche Begründungen für die Gleichwertigkeit der Sicherheitslösungen.

    Unterschiede zwischen den Normen

    • Harmonisierte Normen: Im Amtsblatt der EU veröffentlicht, bieten klare sicherheitstechnische Lösungen, wurden im Rahmen europäischer Richtlinien oder Verordnungen entwickelt und lösen eine Konformitätsvermutung aus.
    • Nicht harmonisierte Normen: Sind nicht im Amtsblatt der EU gelistet, beziehen sich neben der Sicherheit auch auf technische Aspekte und lösen keine Konformitätsvermutung aus.

    Typ-C-Normen: Maschinenspezifische Sicherheitsstandards

    Typ-C-Normen sind maschinenspezifische Sicherheitsnormen für besondere Produktgruppen wie Gummimaschinen, Landmaschinen, Papierherstellungsmaschinen oder Pressen (z.B. ISO 10218 für Roboter). Ein verbreitetes Missverständnis ist, dass bei Anwendung einer Typ-C-Norm keine eigene Risikobeurteilung mehr erforderlich sei. Dies ist jedoch falsch.

    Auch wenn eine Typ-C-Norm bereits auf einer umfassenden Risikobeurteilung basiert – beispielsweise wurde für Tischkreissägen vor Jahren eine solche Norm entwickelt – muss jeder Hersteller dennoch für sein spezifisches Produkt eine eigene Risikobeurteilung durchführen.

    Hinweis: Auch bei Anwendung einer Typ-C-Norm muss eine eigene Risikobeurteilung durchgeführt werden! Die Norm ersetzt nicht die produktspezifische Risikobeurteilung, sondern ergänzt sie.

    Die Vorteile von Normen

    • Beweispflicht: Ohne die Anwendung von Normen ist es schwierig, die Einhaltung der technischen Anforderungen für Maschinen nachzuweisen.
    • Zoll und Marktaufsicht: Maschinen ohne aufgeführte Normen können beim Zoll zurückgehalten werden, was zu Lagerkosten und möglichen Vertragsstrafen führen kann.
    • CE-Kennzeichnung: Die Anwendung harmonisierter Normen ist ein wesentlicher Baustein für die ordnungsgemäße CE-Kennzeichnung von Maschinen.

    Hinweis: Normen sind gesetzlich nicht bindend, ihre Nichtanwendung erschwert jedoch die Beweispflicht erheblich. Ohne Normen müssen Sie gegenüber Behörden begründen, warum Ihre Lösung gleichwertig sicher ist – was in der Praxis oft nicht gelingt.

    Produkthaftung und Beweislastumkehr

    Ein zentraler Aspekt der Produkthaftung ist die Beweislastumkehr. Im Falle eines Unfalls muss der Hersteller nachweisen, dass die Maschine konform ist und alle Sicherheitsstandards eingehalten wurden.

    Wichtige Punkte zur Produkthaftung

    • Verschuldensunabhängigkeit: Die Schuldfrage spielt keine Rolle; der Hersteller haftet bereits allein deshalb, weil ein fehlerhaftes Produkt in Verkehr gebracht wurde, das einen Schaden verursacht hat – selbst wenn der Hersteller alle erdenklichen Sorgfaltspflichten eingehalten hat.
    • Beweislastumkehr: Der Hersteller muss beweisen, dass der Schaden auch bei Einhaltung harmonisierter Normen eingetreten wäre.

    Achtung: Im Schadensfall gilt die Beweislastumkehr – Sie müssen beweisen können, dass die Maschine nach dem Stand der Technik gebaut wurde und alle GSA eingehalten wurden. Eine umfassende Dokumentation ist daher unerlässlich.

    Fazit zur Konformitätsvermutung bei Maschinen

    Die Konformitätsvermutung wird durch die Anwendung harmonisierter Normen erreicht. Auch wenn diese freiwillig in der Anwendung sind, ist es eine Bestätigung gegenüber Dritten, dass der Hersteller nach dem Stand der Technik gebaut hat und das Produkt sicher ist.

    Durch die Kunden, den Zoll oder weitere Behörden kann somit „vermutet“ werden, dass bei der Anwendung der DIN EN ISO 10218-2 für die Integration von Robotersystemen die in Betrieb genommene Schweißroboteranlage konform den einschlägigen Richtlinien oder Verordnung ist.

    Die gründliche Risikobeurteilung und umfassende technische Dokumentation sind entscheidend, um die Konformität von Maschinen zu belegen.

    Die Konformitätsvermutung schafft Effizienz, Rechtssicherheit, Marktzugangsvorteile und Kundenvertrauen. Sie ist ein wichtiger Schlüssel im Produktsicherheitsrecht und ein Werkzeug für Hersteller, um die Anforderungen an sichere Maschinen systematisch und wirtschaftlich umzusetzen.

     

    Gerne beraten und unterstützen wir Sie bei der Konformitätsprüfung Ihrer Maschine und führen für Sie die Risikobeurteilung nach EN ISO 12100:2011-03 durch und erstellen Ihnen die nötigen Konformitätserklärungen für Ihre Maschinen und Anlagen.

    Lars Knorre

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