CE-Kennzeichnung bei der Integration von Robotersystemen

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CE-Kennzeichnung bei der Integration von Robotersystemen

Industrie 4.0, Automatisierung und der Fachkräftemangel treiben die verstärkte Integration von Robotern in industrielle Prozesse entscheidend voran. Doch bei aller technologischen Faszination gilt: Die Integration solcher Systeme ist kein Selbstläufer. Insbesondere im Hinblick auf die CE-Kennzeichnung des neu entstandenen Gesamtsystems sind zahlreiche technische und normative Anforderungen zu beachten.

Dieser Beitrag beleuchtet die wesentlichen Schritte der CE-Kennzeichnung bei der Integration von Robotersystemen – nicht des Roboters als Einzelkomponente – und zeigt typische Herausforderungen auf, die sich in der Praxis ergeben. Anhand von Beispielen, Normenbezügen und Handlungsempfehlungen wird ein strukturierter Überblick gegeben, wie eine rechtskonforme und sichere Integration gelingt.

Inhaltsverzeichnis
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    Beispiele von Robotersystemen in der Prozessautomatisierung

    Robotersysteme übernehmen zunehmend Aufgaben in automatisierten Fertigungsprozessen. Typische Anwendungsbeispiele sind:

    • Serienfertigung an Pressen: Roboter legen Rohmaterial ein, starten den Pressvorgang und entnehmen das Bauteil – vollautomatisch.
    • Pick-and-Place-Prozesse in Verpackungslinien: Produkte wie Flaschen oder Dosen werden präzise und formatvariabel gehandhabt.
    • Qualitätskontrolle: Durch automatisierte Bildaufnahme, Analyse und ggf. Nachbearbeitung ersetzen Roboter manuelle Sichtprüfungen.

    Diese Beispiele zeigen: Roboter schaffen gleichmäßige Arbeitsabläufe und reduzieren manuelle Eingriffe – bei gleichzeitig hoher Flexibilität und Reproduzierbarkeit.

    Roboterarm nimmt ein Paket auf - Thema CE-Kennzeichnung bei Pick-and-Place anwendungen

    ➔ Durch die Kombination von Roboter, Werkzeug und Peripherie entsteht ein sicherheitsrelevantes Gesamtsystem. Dessen CE-Konformität liegt in der Verantwortung des Integrators und erfordert eine vollständige Risikobeurteilung.

    Wenn eine technische Überholung oder Modernisierung ansteht, kann es sein, dass ein Betreiber seine Maschine umbaut. In diesem Fall wird er jedoch selber zum Hersteller und muss sich seinerseits mit dem Thema Konformität auseinandersetzen.

    Integration von Robotersystemen in bestehende Anlagen

    Bei der Integration von Robotern in bestehende Maschinen wird häufig übersehen, dass ein Roboter nicht als vollständige Maschine gilt. Er wird mit einer Einbauerklärung geliefert und bedarf keiner CE-Kennzeichnung nach Maschinenrichtlinie. Erst durch die Kombination mit einem Endeffektor oder Werkzeug entsteht eine vollständige Maschine im Sinne der Maschinenrichtlinie, diese benötigt eine vollständige CE-Kennzeichnung.

    Beispiel: Wird ein Roboter an eine bestehende Presse angebaut, entsteht eine neue Maschine bzw. Gesamtheit von Maschinen. Die relevante Norm ist:

    • DIN EN ISO 10218-2 (für den Roboter selbst)

    Durch Anwendung harmonisierter Normen wie der EN ISO 10218-2 kann von der Konformitätsvermutung ausgegangen werden – die grundlegenden Sicherheitsanforderungen der Maschinenrichtlinie gelten dann als erfüllt. Dennoch bleibt eine Risikobeurteilung zwingend erforderlich.

    ➔ Roboter werden in der Regel mit einer Einbauerklärung geliefert. Wird der Roboter in eine bestehende Maschine integriert, entsteht eine neue Maschine, die eine CE-Kennzeichnung benötigt – inklusive vollständiger Risikobeurteilung und Konformitätserklärung.

    Schritte des Konformitätsbewertungsverfahrens für Roboterintegrationen

    Der CE-Prozess zur Integration von Robotern erfolgt in mehreren, klar definierten Schritten:

    Schritt

    Beschreibung

    1. Normen- & Richtlinienrecherche

    Anwendung z. B. von EN ISO 10218-2, EN ISO 13849-1, ISO/TS 15066 

    2. Risikobeurteilung

    Identifikation und Bewertung aller potenziellen Gefährdungen (nach EN ISO 12100)

    3. Technische Maßnahmen

    Auswahl geeigneter Sicherheitslösungen gemäß Normen wie EN ISO 10218-2

    4. Erstellung der technischen Dokumentation

    Einschließlich Schaltplänen, Ersatzteillisten, Betriebs- & Bedienungsanleitung, Beschreibung des Gesamtsystems

    5. Konformitätserklärung & CE-Kennzeichnung

    Ausstellung durch den Hersteller oder Integrator des Gesamtsystems, also diejenige Person, die das komplette Roboter- oder Fertigungssystem erstmalig in Verkehr bringt.

    ➔ Ein Integrator im Sinne der EN ISO 10218-2, der das integrierte Roboter-Gesamtsystem in Verkehr bringt, gilt als Hersteller im Sinne der Maschinenrichtlinie und muss das vollständige Konformitätsbewertungsverfahren gemäß Anhang VIII durchführen – inklusive Risikobeurteilung, technischer Dokumentation und Ausstellung der Konformitätserklärung.

    Technische Herausforderungen bei der Integration

    Die Integration von Robotersystemen bringt vielfältige technische Herausforderungen mit sich, insbesondere an den Schnittstellen zwischen Roboter, Maschine, Werkstück und Mensch. Typische Stolpersteine sind:

    • Begrenzung der Roboterbewegung (Bewegungsraum)
    • Sicherheitsfunktionen der Steuerung (z. B. „Safe Speed“ oder „Not-Halt“)
    • Bremswegabschätzungen und Kollisionserkennung
    • Komplexe Verantwortlichkeiten zwischen Roboterhersteller, Integrator und Betreiber
    • Späte Berücksichtigung CE-relevanter Anforderungen im Projektverlauf

    Vor allem die Auswahl der Steuerungstechnik muss zur Risikobeurteilung passen und entsprechende Sicherheitsanforderungen gemäß EN ISO 13849-1 erfüllen.

    ➔ Die genannten Herausforderungen müssen im Rahmen der Risikobeurteilung systematisch analysiert und mit geeigneten Maßnahmen adressiert werden – gemäß Anhang I der Maschinenrichtlinie und den Schutzprinzipien nach EN ISO 12100.

    Integration mehrerer Robotersysteme in komplexe Prozessanlagen

    In komplexen Produktionsanlagen – beispielsweise in der Automobilfertigung – arbeiten zahlreiche Roboter koordiniert zusammen. Dabei entstehen neue sicherheitstechnische Anforderungen:

    • Eine durchgängige Sicherheitsbewertung der gesamten Linie ist meist nicht praktikabel.
    • Stattdessen werden Systemgrenzen und Sicherheitsbereiche modular definiert.
    • Einzelne Einheiten sollen unabhängig voneinander betreibbar und wartbar bleiben.

    Hier unterstützt die Norm DIN EN ISO 11161, die sich mit integrierten Maschinensystemen (IMS) befasst. Sie hilft bei:

    • Strukturierung der Risikobeurteilung
    • Schutzmaßnahmen zur Risikominderung
    • Gestaltung von Sicherheitsbereichen
    • Definition von Steuerungs- und Schutzbereichen

    Roboter an einem Förderband

    ➔ Bei integrierten Maschinensystemen (IMS) ist eine modulare Risikobeurteilung und CE-Kennzeichnung möglich – vorausgesetzt, die Schnittstellen zwischen den Einheiten sind normkonform definiert und dokumentiert.

    Eine Gesamtheit von Maschinen muss den europäischen Standards zur Maschinensicherheit genügen. Wir klären im Blogartikel, ab wann Maschinen in einer Anlage als Gesamtheit gelten.

    Validierung integrierter Robotersysteme gemäß EN ISO 10218-2

    Ein zentraler Bestandteil des CE-Prozesses ist die abschließende Validierung des integrierten Robotersystems. Die Norm EN ISO 10218-2 fordert in ihrem normativen Anhang G ausdrücklich, dass die Sicherheitsanforderungen, die im Rahmen der Integration umgesetzt wurden, systematisch verifiziert und validiert werden müssen.

    Dies betrifft insbesondere die in den Abschnitten 4 und 5 der Norm beschriebenen technischen Schutzmaßnahmen und Konstruktionsvorgaben. Ziel ist es sicherzustellen, dass alle geplanten Sicherheitsfunktionen im realen Aufbau korrekt umgesetzt sind und auch unter Betriebsbedingungen zuverlässig wirken.

    Die Validierung gemäß Anhang G der EN ISO 10218-2 ist eine normative Vorgabe und sollte daher für ein normkonformes Robotersystem umgesetzt werden. Sie ist mit geeigneten Methoden durchzuführen, zu dokumentieren und mit der funktionalen Sicherheit der Steuerung abzustimmen.

    Die Verantwortung für diese Validierung liegt beim Hersteller oder Integrator des Gesamtsystems – also der juristischen oder natürlichen Person, die das System in Verkehr bringt. Sie muss dokumentierte Nachweise darüber führen, dass das System den Anforderungen der Norm entspricht.

    Methoden der Validierung (nach Anhang G)

    Die Norm beschreibt eine Vielzahl möglicher Validierungsmethoden, abhängig von der jeweiligen Sicherheitsanforderung. Dazu zählen:

    • Funktionsprüfungen
    • Sichtprüfungen
    • Messungen
    • Praktische Tests unter Betriebsbedingungen

    Diese Prüfmethoden sind in einer umfangreichen Tabelle im Anhang G aufgelistet und beziehen sich auf die jeweiligen Anforderungen der Normkapitel. Nicht jede Methode muss bei jeder Integration angewendet werden – vielmehr ist kontextbezogen zu entscheiden, welche Anforderungen im konkreten System relevant sind.

    Empfehlung zur Durchführung

    Die Validierung sollte dokumentiert und nachvollziehbar erfolgen. Dazu gehört:

    • ein Abgleich mit der ursprünglichen Risikobeurteilung,
    • eine Überprüfung der Wirksamkeit aller umgesetzten Schutzmaßnahmen,
    • sowie die systematische Dokumentation aller Prüf- und Messergebnisse.

    Nur durch diese abschließende Prüfung kann eine rechtskonforme Inbetriebnahme des integrierten Robotersystems gewährleistet werden.

    ➔ Die Validierung gemäß Anhang G der EN ISO 10218-2 ist eine normative Pflicht – sie darf nicht übersprungen oder pauschalisiert werden. Eine lückenlose technische Prüfung ist essenziell für die Konformität.

    Fazit: Systematische Integration sichert Erfolg

    Die Integration von Robotersystemen ist komplex, aber beherrschbar. Sie erfordert technisches Verständnis, normatives Wissen und eine strukturierte Vorgehensweise im CE-Prozess.

    Handlungsempfehlungen für Integratoren:

    • CE-Planung frühzeitig starten ✔ 
    • Harmonisierte Normen gezielt einsetzen ✔
    • Risikobeurteilung regelmäßig aktualisieren ✔ 
    • Sicherheitsfunktionen valide dokumentieren und prüfen ✔  

    Nur wer alle Anforderungen kennt und umsetzt, kann eine rechtskonforme und zugleich effiziente Roboterintegration gewährleisten.

     

    Eine rechtskonforme Roboterintegration gelingt nur bei frühzeitiger, systematischer und dokumentierter Einbindung aller CE-Pflichten. Wir beraten und unterstützen Sie gerne bei der Risikobeurteilung über die Beurteilung der Gesamtheit bis zur vollständigen technischen Dokumentation.

    Lars Knorre

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